Wilder Streik ist kein außergewöhnlicher Umstand

    Der Europäische Gerichtshof hat begrüßenswerterweise und entgegen der Ansicht des Generalanwaltes u.a. mit Urt. v. 17.04.2018, Az. C-195/17 entschieden, dass die massenhafte Krankmeldung der Belegschaft von Tuifly keinen "außergewöhnlichen Umstand" darstellt, der die Fluggesellschaft von der Haftung befreit. Hintergrund dieser Entscheidung war die massenhafte Krankmeldung im Herbst 2016 bei Tuifly, wobei es für zahlreiche Reisende zu erheblichen Verspätungen oder Annullierungen von Flügen gekommen ist. Nach Auffassung der Richter können Streiks zwar regelmäßig einen außergewöhnlichen Umstand begründen. Die im vorliegenden Fall zu beurteilende massenhafte Krankschreibung, die als Reaktion auf die Ankündigung einer unternehmerischen Umstrukturierung des Flugunternehmens erfolgte, sei jedoch keine ungewöhnliche Reaktion. Für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes bedürfe es aber eines solchen ungewöhnlichen Umstandes. Der europäische Gerichtshof führt insoweit aus, dass die massenhafte Krankmeldung eine unmittelbare Folge der unternehmerischen Entscheidung war und damit von der Fluggesellschaft beherrschbar war. Der europäische Gerichtshof hat sich mit seinem Urteil gegen den Schlussantrag des Generalanwaltes entschieden. Das Gericht hat zudem in seinem Urteil und auch in der Presseerklärung darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass diese Vorgehensweise der Belegschaft, weil sie nicht offiziell von einer Gewerkschaft initiiert wurde, als „wilder Streik" im Sinne des einschlägigen deutschen Arbeits- und Tarifrechts einzustufen sein dürfte, für die Auslegung des Begriffs „außergewöhnliche Umstände" keine Rolle spielt. Würde man nämlich zur Klärung der Frage, ob Streiks als „außergewöhnliche Umstände" einzustufen sind, darauf abstellen, ob Streiks nach dem einschlägigen nationalen Recht rechtmäßig sind oder nicht, hätte dies zur Folge, dass der Anspruch von Fluggästen auf Ausgleichszahlung von den arbeits- und tarifrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaats abhängen würden. Dadurch würden die Ziele dieser Verordnung, nämlich ein hohes Schutzniveau für die Fluggäste sowie harmonisierte Bedingungen für die Geschäftstätigkeit von Luftfahrtunternehmen in der Union sicherzustellen nach Auffassung der Richter beeinträchtigt.

    Da die Ansprüche der Flugreisenden aktuell noch nicht verjährt sind, können wir Passagieren, die ebenfalls von der massenhafte Krankmeldung im Herbst 2016 betroffen waren, nur anraten, sich anwaltlich beraten zu lassen und die ihnen zustehenden Ausgleichszahlungen notfalls gerichtlich durchzusetzen.